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Ein japanischer Forscher plant Experimente mit Mäusen und Ratten, deren Nachwuchs sowohl aus Tierzellen wie auch aus menschlichen Zellen bestehen soll. Hinter dem Experiment steht eine grosse Hoffnung: menschliche Körperorgane in Tieren heranziehen zu können – Organe, die in der Humanmedizin dringend benötigt werden.
Vor wenigen Tagen hat die japanische Regierung die Bewilligung für dieses Experiment erteilt. Stattfinden soll es an den Universitäten in Tokio und in Stanford. Cathrin Caprez hat sich mit dem Forschungsvorhaben beschäftigt – Cathrin Caprez – Wissenschaftsredaktorin SRF
SRF: Wie genau soll das funktionieren – menschlichen Organe in tierischen Körpern?
Cathrin Caprez: Der japanische Professor für Stammzellenforschung, Hiromitsu Nakauchi, und sein Team arbeiten mit Embryonen von Mäusen und Ratten. Diese veränderten sie gentechnisch so, dass sie keine Bauchspeicheldrüsen entwickeln können.
In den Maus- oder Ratten-Embryonen soll sich eine menschliche Bauchspeicheldrüsen entwickeln – so die Hoffnung der Forschenden.
In diese Embryonen hinein injizieren die Forschenden dann menschliche Stammzellen. Das sind Zellen, die sich grundsätzlich zu jeder möglichen Art von menschlichem Gewebe entwickeln können. In den Maus- oder Ratten-Embryonen ohne Bauchspeicheldrüse soll sich also eine menschliche Bauchspeicheldrüse entwickeln – so zumindest die Hoffnung der Forschenden.

Versuche, menschliche Organe ausserhalb des menschlichen Körpers wachsen zu lassen, gab es ja bereits in der Vergangenheit. Was ist neu an diesem Forschungsprojekt?
Neu daran ist, dass diese so behandelten Embryonen erstmals in Muttertiere transferiert und von ihnen ausgetragen werden sollen. Das war bis vor wenigen Monaten in Japan noch verboten. Viele andere Länder haben gar noch striktere Regeln im Umgang mit solchen Embryonen.
Wie erfolgversprechend ist dieses Experiment?
Ein ähnliches Experiment ist Hiromitsu Nakauchi vor einigen Jahren gelungen. Damals hat ein Ratten-Embryo eine Bauchspeicheldrüse aus Mauszellen ausgebildet. Dieses Organ wurde dann erfolgreich in eine Maus transplantiert.
Generell ist die Forschung auf diesem Feld hoch umstritten.
Aber Menschen und diese Nagetiere liegen – evolutionär betrachtet – schon deutlich weiter auseinander. Ob es da auch klappt, wird sich erst noch zeigen.
Tiere mit menschlichem Zellgewebe im Gehirn, das klingt für viele Menschen beunruhigend. Wie sind denn die Reaktionen auf dieses Forschungsprojekt?
Der Entscheid aus Japan ist eben erst bekannt geworden – Reaktionen habe ich noch nicht viele gesehen. Generell ist die Forschung auf diesem Feld aber hoch umstritten.
Kritiker befürchten, dass durch solche Verfahren Chimären geschaffen werden – Mensch-Tier-Mischwesen mit unabsehbaren Fähigkeiten.
Einerseits gibt es allein in den USA mehr als 100’000 Menschen, die auf eine Organtransplantation warten – in der Schweiz waren es letztes Jahr knapp 1500. Für sie können neue Möglichkeiten in der Organzüchtung Überlebens-Chancen bedeuten.
Andererseits befürchten Kritikerinnen und Kritiker, dass durch solche Verfahren Chimären geschaffen werden, also Mensch-Tier-Mischwesen, mit unabsehbaren Fähigkeiten. Und es ist ethisch auch umstritten, ob Tiere allein dafür benutzt werden sollen, dass sie uns Menschen ein Organ liefern und dann sterben sollen.
Das Gespräch führte Patricia Moreno.
https://www.srf.ch/kultur/wissen/experimente-mit-stammzellen-japan-erlaubt-die-geburt-von-mischwesen-aus-mensch-und-tier
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Ein Japaner darf als erster Forscher weltweit Mensch-Tier-Chimären erzeugen und bis zur Geburt wachsen lassen. Tokio erlaubt und fördert ein entsprechendes Projekt, berichtet unter anderem die Nachrichtenseite des Fachjournals „Nature“.
Die Tier-Embryonen sollen mit menschlichen Zellen bestückt und einem Muttertier eingepflanzt werden, das sie zur Welt bringt. Zunächst will die Forschergruppe um Hiromitsu Nakauchi von der University of Tokyo und der Stanford University in Kalifornien das Verfahren in Mäusen und Ratten testen.
Langfristiges Ziel ist es, Mischwesen aus Mensch und Tier herzustellen, denen menschliche Organe wachsen, die dann transplantiert werden können. Die Technik soll eines Tages Patienten helfen, die auf ein Spenderorgan warten. Kritiker bezweifeln allerdings, dass das mit dem Verfahren jemals möglich sein wird.
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Schon seit einiger Zeit experimentieren Wissenschaftler in verschiedenen Ländern mit Mischwesen aus Mensch und Tier. Bislang dürfen sie diese jedoch nur wenige Wochen im Muttertier heranreifen lassen. Ausgetragen wurden die Chimären noch nie. Das ändert sich nun. Bis März 2019 durften die Mischwesen auch in Japan maximal 14 Tage im Muttertier wachsen. Dann passte das Wissenschaftsministerium die Regularien an.
Embryonen sollen sich 70 Tage lang in Schweinen entwickeln
Nakauchi ist der erste Forscher, der davon profitiert. Offiziell vom Wissenschaftsministerium genehmigt werden die Versuche wohl im August. Ein Expertengremium hat sich aber bereits dafür ausgesprochen.
Zunächst plant Nakauchi, Ratten mit menschlichen Zellen 15,5 Tage in einem Muttertier heranzuzüchten. Die Organe der Tiere seien dann fast vollständig ausgebildet. Im nächsten Schritt möchte der Forscher die Regierung um Erlaubnis bitten, Mischembryonen über 70 Tage in Schweinen wachsen lassen zu dürfen.
Bei den menschlichen Zellen, die in die Tiere eingepflanzt werden sollen, handelt es sich um sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen). Sie entstehen, indem Forscher beispielsweise Hautzellen in ein frühes Entwicklungsstadium zurückversetzen. Diese können sich dann wieder in jede Art von Gewebe und in verschiedene Organe entwickeln.
Die menschlichen iPS-Zellen, die Nakauchi dafür verwenden will, sollen sich zu Bauchspeicheldrüsen entwickeln. Das Verfahren hat der Forscher zuvor mit iPS-Zellen von Mäusen getestet, die Rattenembryonen eingepflanzt wurden.
Nakauchi hofft, dass er die Öffentlichkeit mit der Zeit von seinem Vorhaben überzeugen kann, Tiere mit menschlichen Organen bis zur Geburt heranzuzüchten. Einige Fachleute befürchten, dass sich die menschlichen Zellen in den Tieren an Orten einnisten könnten, an die sie nicht gehören – etwa im Gehirn – und so beispielsweise die Kognition der Tiere verändern.
Nakauchi will das verhindern, indem er die Zellen genetisch so anpasst, dass sie sich nur in einen bestimmten Zelltyp entwickeln können.
Dennoch bleiben Zweifel. So hat Nakauchi bereits versucht, menschliche iPS-Zellen in Schafembryonen wachsen zu lassen. Nach 28 Tagen waren kaum menschliche Zellen übrig. Weil sich die Arten so stark unterscheiden, wurden die fremden, menschlichen Stammzellen abgestoßen, vermutet der Forscher. Er will nun versuchen, das Problem mithilfe von Gentechnik zu lösen. Das könnte allerdings noch Jahrzehnte dauern.
Eine Schwierigkeit ist auch, dass evolutionär weit voneinander entfernte Spezies unterschiedliche Tragzeiten haben. So haben Forscher 2017 erstmals chimärische Embryonen aus Mensch und Schwein geschaffen. Diese wuchsen sechs Wochen lang im Körper einer Sau heran, bevor das Experiment abgebrochen wurde. Hätten sich die Mischwesen weiterentwickelt, wären sie nach knapp vier Monaten auf die Welt gekommen, statt nach neun Monaten, wie es beim Menschen der Fall gewesen wäre.
Viele Wissenschaftler halten daher Ansätze für vielversprechender, bei denen ausgewachsene Organe von Tieren so aufbereitet werden, dass sie Menschen eingesetzt werden können.
https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/japan-erlaubt-geburt-von-mischwesen-aus-mensch-und-tier-a-1279687.html